Sonnenlicht: Freund oder Feind?
Der Sommer ist da, und wie die Temperaturen ist auch die UV-Belastung groß. Wie jedes Jahr kehrt auch die unveränderte Frage zurück: "Darf ich Zeit in der Sonne verbringen, oder nicht?"
Laut dem "Nationalen Sonnenbericht 2020" aus den Niederlanden haben im vergangenen Jahr 90% der Niederländer mindestens einmal einen Sonnenbrand gehabt, und 50% hatten sogar einen schweren Sonnenbrand. Das sollte keine Überraschung sein, denn nur 33% der niederländischen Männer und 43% der Frauen verwenden Sonnenschutzmittel, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt sind.
Darüber hinaus gaben 60% der Eltern an, dass ihre Kinder mindestens einmal einen Sonnenbrand hatten, während 10% einen schweren Sonnenbrand hatten. Darüber hinaus gaben 25 % der deutschen Eltern zu, dass sie ihre Kinder nicht mit Sonnencreme eincremen, wenn sie der Sonne ausgesetzt sind.

Das Mantra lautet: Regelmäßig einschmieren
Auf der Grundlage von Zahlen wie diesen, die wir auch in Deutschland kennen, lautet das Mantra, das wir seit Jahren in den Medien hören, dass wir am besten immer Sonnenschutzmittel verwenden sollten. Und die UV-Schutzkleidungsfirma, die den die oben genannte Untersuchung gesponsert hat, rät überraschenderweise zur Verwendung von UV-Schutzkleidung...
Nuance oder einseitige Geschichte?
Aber wie bei vielen Gesundheitsthemen ist auch hier die Thematik komplex und im Allgemeinen nicht vollständig verstanden. Der Schwerpunkt liegt oft sehr stark auf spezifischen Details, was zu einer vereinfachten Sichtweise führt, in der die Antwort entweder schwarz oder weiß ist. Anstatt einfach zu empfehlen UV-Licht komplett zu blockieren, sollte man nicht besser die korrekte Anwendung von Sonnenschutzkleidung un Creme oder den Aufbau eines Solar Callus, einer gewissen Toleranz für Sonnenlicht empfehlen? Oder zumindest sollten beide Ratschläge kombiniert werden, damit die Menschen neben Schutz vor der Sonne auch auf natürliche und sichere Weise von den gesundheitlichen Auswirkungen der Sonne profitieren können?
Ohne Sonne kein Leben
Die Sonne gibt es seit Anbeginn der Zeit, um das Leben auf der Erde zu formen, den Planeten und die Lebensformen zu nähren und zu pflegen. Geben wir der Sonne die Schuld für die ökologische Diskrepanz, die wir selbst in der modernen Welt geschaffen haben? Alle Aspekte der Sonneneinstrahlung und der Gesundheit zu behandeln, ist zu viel für einen Blog, aber wir können einige interessante Aspekte ansprechen, die zum Nachdenken anregen:
- Das Tragen einer Sonnenbrille erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Sonnenbrandes, da es zu einer Diskrepanz zwischen der Umwelt und der menschlichen Physiologie kommt.
- Sonnenlicht hat einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom, da der Körper in Wirklichkeit ein aus mehreren Systemen bestehendes System ist. Es gibt da die sogenannte Haut-Darm-Achse nennt.
- Die Bildung eines Solar Callus ist durch natürliche Lebens- und Ernährungsfaktoren möglich, die die Wahrscheinlichkeit eines Sonnenbrands verringern.
- So wie Pflanzen Sonnenlicht für die Photosynthese nutzen, so gibt es Hinweise darauf, dass der Mensch über Melanin ähnliche Fähigkeiten besitzt.
- Die Vorteile des Sonnenlichts umfassen weit mehr als nur Vitamin D, Sonnenlicht erhöht auch eine Menge von „Wohlfühlchemikalien“ im Körper, beeinflusst das Immunsystem, den Blutdruck und vieles mehr.
Experten für ausgewogenes Sonnen
Wenn man sich diese Tatsachen vor Augen hält, gibt es einige Dermatologen, die einen anderen und vielleicht fortschrittlicheren und ausgewogeneren Standpunkt zur gesunden Sonnenlichteinwirkung haben. Eine von ihnen ist die ehemalige Dermatologie-Professorin Carla Bruijnzeel. In einem Interview im Jahr 2018 teilte sie einen sehr ausgewogenen Standpunkt zur Sonnenlichtbloßstellung, indem sie zusammenfassend sagte, dass sie für ihren persönlichen Hauttyp nur im Frühling Sonnenschutzmittel verwendet, dass die eine Bloßstellung ans Sonnenlicht die Sonnentoleranz erhöht, weil die äußere Hautschicht dicker wird und vor Sonnenbrand schützt, und dass es ein Risiko-Ertrags-Verhältnis zugunsten der Sonnenlichtbloßstellung für die Gesundheit gibt, und auch eine Besorgnis über die Verwendung von Sonnenschutzmitteln und deren Toxizität.

Bewusst in der Sonne gegenüber drinnen leben
Der UV-Experte Professor de Gruijl ist eine weitere qualifizierte Stimme, die eine etwas andere Sichtweise unterstützt. Er ist kein Befürworter des täglichen Gebrauchs von Sonnenschutzmitteln, da diese verhindern, dass sich die Haut an die UV-Strahlung der Umgebung gewöhnt, was die Haut besonders anfällig macht, wenn man dann mal keine Sonnencreme benutzt. Er betont die Bedeutung des Vermeidens von Sonnenbränden, über die sich alle einig sind, und will quasi der Biologie ihren Lauf lassen, indem die tägliche Aussetzung an die Sonne allmählich erhöht wird. Genau so es hat die Natur es seit Millionen von Jahren in natürlicheren Lebensumgebungen eingerichtet; anstatt die meiste Zeit drinnen zu verbringen und dann plötzlich nach draußen zu gehen, wenn der erste schöne sonnige Tag kommt.
Die Übung macht den Meister
Zum Vergleich: Jeder weiß, dass Bewegung wichtig und gesund ist, aber ohne Training einen Marathon zu laufen, ist eher töricht und nicht gesund. Der Körper braucht Zeit, um sich anzupassen und eine Toleranz gegenüber Stressoren aufzubauen, bevor er große Belastungen wie einen Marathon bewältigen kann – und das gilt für einen ganzen Tag mit hoher UV-Sonneneinstrahlung ebenso.
Die meisten Dermatologen sind wahrscheinlich der Meinung, dass die Ratschläge der oben genannten Experten für Laien einfach zu komplex sind und ziehen es vor, die Botschaft zu vereinfachen, indem sie ständig Sonnenschutzmittel empfehlen und quasi das Kind mit dem Bade ausschütten. Sollte eine allgemeine Botschaft so stark vereinfacht werden, dass eine Halbwahrheit zum Status quo wird? Typisch Mensch, wir geben der Sonne die Schuld für eine unnatürliche Situation, die sich der Mensch selbst geschaffen hat: 99% der Zeit verbringen wir drinnen.
Solar Callus und das Lichtspektrum der Sonne
Die Verbesserung der Sonnentoleranz wird auch als “Solar Callus" bezeichnet und geschieht auf natürliche Weise, wenn man mehr im Einklang mit der Natur lebt. Ein perfektes Beispiel ist die Tatsache, dass die frühe Morgensonne kein UV-Licht und mehr (infrarotes) rotes Licht als z.B. die Mittagssonne hat - das Farbspektrum der Sonne verändert sich also während der Sonnenstunden. Und zufällig trägt sichtbares rotes Licht auf verschiedene zelluläre Weise zum Schutz der Hautzellen vor UVB bei.
In einer natürlicheren Lebensumgebung würden sich die Menschen den größten Teil des Tages von morgens bis abends, während aller Jahreszeiten und ohne Sonnenbrille, Sonnenschutz oder UV-Schutzkleidung im Freien aufhalten.
Kunstlicht kein Ersatz für natürliches Licht
Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, dass das Licht, dem wir in Innenräumen ausgesetzt sind, farblich nicht so ausgewogen ist wie das natürliche Tageslicht. Es ist besonders hoch im blauen Lichtspektrum, das erwiesenermaßen in mehrfacher Hinsicht schädlich für die Haut ist. Künstliches Licht kann ein optischer Ersatz sein, aber es ist physiologisch keineswegs gleichwertig mit natürlichem Licht. Auch hier ist es angemessener, die moderne Umgebung zu betrachten, als mit dem Finger beschuldigend in Richtung Sonne zu zeigen. Den Menschen die ganze Wahrheit zu erzählen, scheint also der ethischere Weg zu sein, da eine natürliche Bloßstellung an Sonnenlicht so wichtig ist. Der englische Dermatologe und Wissenschaftler Richard Weller warnt sogar davor, dass die drastische Vermeidung von Sonnenlicht auf viel mehr Arten lebensgefährlich ist, als den Menschen bewusst ist.
Umgekehrte Welt
Manchmal sieht es so aus, als ob wir in einer umgekehrten Welt leben, in der die Rolle und die Auswirkungen natürlicher Phänomene wie Sonnenlicht, gesunder Bio-Lebensmittel und natürliche Therapeutika verteufelt werden, während künstliche technologische Fortschritte wie Handystrahlung, Biotech-Lebensmittel und Pharmazeutika gepriesen und Nebeneffekte verharmlost werden. Nicht alles ist entweder schwarz oder weiß. Es gibt immer eine Grauzone und vieles hängt vom Kontext ab. Im Zweifelsfalle sollten wir jedoch versuchen, die Dinge aus einer evolutionären Perspektive zu betrachten, die den Gesetzen der Natur entspricht. Dies schafft ein wenig Klarheit im modernen Durcheinander. Wir können uns mit Gedanken oder Gefühlen darüber täuschen, was wir aktuell für gesund oder normal halten, aber wir können unsere Biologie oder Natur nicht täuschen.