Blitze in unseren Zellen
Die Auffassung, dass Elektrizität für den menschlichen Körper essenziell ist, besteht schon lange. Seit 1791 wurden mehrere faszinierende Entdeckungen von der bioelektrischen Ladung gemacht. Doch seltsamerweise wurde der Bedeutung der Elektrizität für die Biologie lange keine Beachtung geschenkt. Worum geht es hier eigentlich genau?
Das Versprechen der tierischen Elektrizität
1791 machte der italienische Arzt Luigi Galvani seine Entdeckung dessen, was er als "tierische Elektrizität" bezeichnete, weltberühmt. Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte Galvani mit Elektrizität experimentiert, insbesondere mit ihren Auswirkungen auf lebendes Gewebe. Auf Basis seiner Experimente schlussfolgerte er, dass Tiere ihre eigene "angeborene Elektrizität" besitzen, die vom Gehirn abgeleitet und über das Nervensystem im ganzen Körper verteilt wird. All dies fand er, als er versuchte (und weitgehend scheiterte) zu widerlegen, dass der Italiener Alessandro Volta ein Instrument namens Pile erfunden habe - heute eine elektrische Batterie.
Etwa zeitgleich entwickelte der Wiener Arzt Franz Anton Mesmer seine eigenen Theorien über den tierischen Magnetismus. Mesmers Kernbehauptung war, dass alle Körper eine Art magnetische Flüssigkeit enthalten. Die Manipulation dieser Flüssigkeit sei der Schlüssel zur Heilung neurologischer und psychologischer Störungen. Vielleicht gelänge es ihm auf diese Weise sogar, seine magnetisierten ("hypnotisierten") Subjekte wie Marionetten tanzen zu lassen!

1803 besuchte Galvanis Cousin Giovanni Aldini London, um das Konzept der tierischen Elektrizität gegenüber Aldinis Gegnern zu verteidigen. Bei einer seiner Aufführungen mit dem Prinzregenten im Publikum elektrisierte er einen enthaupteten Hund. Als Höhepunkt seines Besuchs führte er am Royal College of Surgeons galvanische Experimente an der Leiche eines Mannes durch, der gerade wegen Mordes gehängt worden war. Es war ein schauderhaftes Schauspiel ("Der Kiefer des verstorbenen Verbrechers begann zu zittern, die angrenzenden Muskeln waren auf schreckliche Art und Weise verdreht und dann öffnete sich tatsächlich ein Auge"). Aldini wurde in der konservativen Presse als ein weiterer Witzbold verspottet, der versuchte, die Öffentlichkeit mit der Idee zu täuschen, dass Elektrizität Leben bedeute, aber Aldini hatte auch viele Unterstützer, selbst unter der relativ phlegmatischen Gemeinschaft der Royal Society. So wurde er von der Royal Humane Society gesponsert, da diese in seinen Experimenten die Möglichkeit sah ertrunkene Seeleute wiederbeleben zu können.
Man glaubt sogar, dass Mary Shelley, die berühmte Autorin des Frankenstein-Romans (1817), von Aldinis Erfahrungen wusste und sich von ihnen inspirieren ließ. Schließlich ging es in Shelleys genrebildender Science-Fiction-Geschichte um eine Leiche, die mithilfe von elektrischem Strom zum Leben erweckt wurde.
Zwei Jahrhunderte später
Einige Wissenschaftler glauben, dass wir bald in der Lage sein werden, die elektrischen Eigenschaften des Körpers genauso zu identifizieren, wie wir in den letzten 20 Jahren das menschliche Genom identifiziert haben: das menschliche "Elektrom", sozusagen.

Eines steht fest: An der Schnittstelle von Quantenbiologie und Molekularbiologie befindet sich wahrscheinlich die Elektrizität. Alle menschlichen Wahrnehmungen, Gedanken und Bewegungen werden durch Elektrizität gesteuert. Die Vorstellung, dass Elektrizität und der menschliche Körper auf unglückliche, Frankenstein-ähnliche Weise miteinander verwoben sind, wird uns heute jedoch nicht mehr in der Schule vermittelt. Bioelektrizität scheint vielmehr der Grund dafür zu sein, dass unsere Zellen miteinander kommunizieren können. Nach diesem Modell haben wir unbewusst eine globale Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut.
Jenseits von Science-Fiction
Im Wesentlichen kann jeder Prozess, der uns am Leben erhält, auf ein elektrisches Feld reduziert werden, das irgendwo im Körper erzeugt wird. Ihre einzige Chance, als kohärentes Ganzes zu existieren, liegt in der Vermittlung von elektromagnetischen Feldern.
In gewisser Weise sind Sie selbst ein großes elektrisches Feld: ein umfassender Komplex elektrischer Felder, der Ihre Atome zusammenhält, und in dem Ihre Teile mithilfe elektrischer Felder miteinander kommunizieren. Die elektrische Ladung einer einzelnen Zelle kann Berechnungen zufolge 30 Millionen Volt pro Meter erreichen. Dies entspricht der Stärke eines Blitzes.

Bioelektrizität ist nicht dieselbe Elektrizität, die auch unsere Lampen und Kühlschränke betreibt. Letztere basiert auf Elektronen: strömende negativ geladene Teilchen. Der menschliche Körper, einschließlich des Gehirns, funktioniert dagegen mithilfe von Bewegungen von meist positiv geladenen Ionen von Elementen wie Natrium, Kalium und Kalzium. Nicht nur die Signale im Gehirn, sondern auch zwischen die Signale zwischen allen Körperteilen, die an Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Kognitionsaufgaben beteiligt sind, bewegen sich auf diese Art und Weise.
Über makabre Experimente und Sciencefiction im frühen 19. Jahrhundert sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass die Bioelektrizität das Herzstück unserer Denk-, Kommunikations- und Bewegungsfähigkeit ist. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Kommunikation unserer Zellen untereinander, denn Elektrizität ermöglicht es den Zellen einander zu erzählen, ob sie selbst und die Systeme, in denen sie funktionieren, gesund sind.
Quellen: aeon.co und qz.com